Gewohnheiten haben eine wichtige Rolle in unserem Leben. Unser Gehirn möchte Energie sparen und versucht deswegen möglichst viel zu automatisieren. Verhalten im Autopilot nennt man Gewohnheit. Den Großteil unserer Zeit verbringen wir in diesem Modus. Achte mal darauf, was du tust, wenn du dein Zimmer betrittst. Du wirst dich wundern, was du alles machst, ohne aktiv zu denken. Im Folgenden werde ich dir fünf Regeln geben, wie du gute Gewohnheiten aufbauen kannst, um im Autopilot erfolgreich zu werden.

Dieser Beitrag basiert auf das Buch “Atomic Habits” von James Clear. Möchtest du dir ein Exemplar anschaffen? Du kannst es über diesen Link machen. Damit unterstützt du mich, ohne dass es für dich teurer wird. Danke!

Systeme statt Ziele

Jeder kann sich Ziele setzen. Aber was unterscheidet Menschen, die ihre Ziele erreichen, von allen anderen? Sie arbeiten wirklich an ihren Zielen. Sie haben ein System, das ihnen hilft, regelmäßig einen Schritt nach vorne zu machen. Allein Zielsetzung kann also nicht der Schlüssel zum Erfolg sein.

Darüber hinaus sind Ziele temporär. Hat man sie einmal erreicht, treten sie in den Hintergrund. Das Problem? Es kann zum sogenannten ‘Jojo-Effekt’ kommen. Beispielsweise kann eine übergewichtige Person das Ziel haben, ein bestimmtes Körpergewicht zu erreichen. Nachdem sie das geschafft hat, besteht die Gefahr, dass sie wieder zurück in ihre alten Gewohnheiten verfällt.

Ziele zu haben, ist trotzdem nicht unwichtig. Sie können uns eine Richtung vorgeben. Wenn es um das Machen geht, sind Systeme aber besser. Ein System ist das Transportmittel, das uns zu unserem Ziel und möglicherweise noch weiter führen wird. Für einen Sprachenlerner könnte ein System sein, dass er jeden Tag eine halbe Stunde Medien in seiner Wunschsprache konsumiert, die er gerade so versteht und gleichzeitig unbekannte Wörter in ein Karteikartenprogramm überträgt. Wiederholt er täglich seine Karten, hat er ein solides Verfahren, besser in der Sprache zu werden. Du brauchst also ein System, um deine Ziele zu erreichen.

Kleine Schritte zum Erfolg

In den Medien hören wir, dass jener eine neue Erfindung gemacht, eine Rolle in einem Film bekommen hat und ähnliches. Es scheint so, als hätten erfolgreiche Menschen einfach nur Glück. Was wir aber nicht mitbekommen, ist, dass diese Personen täglich dafür gearbeitet haben. Ab einer Schwelle war ihr Talent so hoch, dass sie etwas Großes geschafft haben. James Clear macht folgenden Kommentar zu solchen Momenten:

“It is so easy to overestimate the importance of one defining moment and underestimate the value of making small improvements on a daily basis. [Es ist so einfach, die Bedeutung eines entscheidenden Moments zu überschätzen und den Wert kleiner Verbesserungen auf täglicher Basis zu unterschätzen.]” – Atomic Habits, S. 15

Wie kann man das auf seine Gewohnheiten übertragen? Dazu gibt Clear einen praktischen Tipp. Er wirft die ‘2-Minuten-Regel’ auf. Demzufolge sollte man mit einer Version der Gewohnheit anfangen, die einen minimalen Zeitanspruch hat. Möchtest du beispielsweise mit Sport anfangen, beginnst du damit, eine oder zwei Liegestütze am Tag zu machen. Das mag absurd einfach klingen. Es ist aber wichtig, Regelmäßigkeit zu zeigen. Wenn die Gewohnheit in Fleisch und Blut übergeht, kannst du ganz einfach darauf aufbauen. Durch den geringen Aufwand minimierst du das Risiko, die Gewohnheit aufzugeben. Was wir öfters vergessen ist, dass etwas zu machen besser ist, als nichts zu machen.

Etwas zu machen, ist besser als nichts zu machen.

In diesem Zusammenhang sind folgende Worte unseres Propheten (s.a.w.) sehr passend:

“[…] und daß die beliebtesten (guten) Taten bei Allah solche sind, die regelmäßig begangen werden, auch dann, wenn sie gering sind.”

Ṣaḥīḥ al-Buḫārī, Kapitel 74, Ḥadīṯ-Nr. 6464

Wenn wir regelmäßig sind, wird sich unser Potenzial vervielfachen wie eine Geldanlage.

Gewohnheiten verinnerlichen

Eine Gewohnheit zu verinnerlichen, ist kein einfacher Prozess. Die meisten Menschen versuchen ihr Verhalten zu verändern, bis es Teil ihrer Identität ist. Dann ist das Verhalten ihr eigens und geschieht wie von allein. Änderst du deine Identität nicht, wird die Gewohnheit nicht lange halten. Denke an Raucher: Jemand der das Rauchen aufgeben möchte, wird Schwierigkeiten haben, solange er sich noch als Raucher sieht. Das Verhalten ‘nicht rauchen’ ist nicht kongruent (=passend) zur Persönlichkeit ‘Raucher’.

Möchtest du dein Verhalten auf lange Sicht ändern, musst du die Sache anders angehen. Einfacher wird es sein, wenn du zuerst deine Identität änderst (keine Sorge – das ist nichts Illegales). Dann beweist du dir selbst mit dem Großteil deines Verhaltens, dass du der Identität würdig bist. Zurück zum Rauchen: ändert der Raucher aus dem vorherigen Beispiel seine Identität zu ‘Nicht-Raucher’ und hat er Tage, an denen er nicht raucht, verstärkt er seine neue Identität und er wird es einfacher haben, mit dem Rauchen aufzuhören.

Rolle der Situation

Situationen haben einen großen Einfluss auf unser Verhalten. Du kennst bestimmt jemanden, der sich mit dir allein normal verhält, aber in Anwesenheit von bestimmten Freunden zu einer ganz anderen Person zu werden scheint. Kurt Lewin hat dasselbe beobachtet und folgende Formel aufgestellt, die als Feldtheorie bekannt wurde:

B = f(P, E)

Der Formel zufolge ist das Verhalten (behaviour) eine Funktion aus Person und Umgebung (environment). Eine Person kann also ein ganz anderes Verhalten zeigen, wenn die Umgebung geändert wird. Das kann man gut für seine Ziele nutzen. Viele meiner Freunde gehen in die Bücherei für das Lernen. Sie meinen, dass sie sich dort besser konzentrieren können und sich gezwungen fühlen, zu lernen.

James Clear zufolge gibt es eine Grundregel für Verhaltensänderung. Sie besagt, dass das, was sofort belohnt wird, wiederholt wird und das, was sofort bestraft wird, vermieden wird. Belohnungen und Bestrafungen hängen von der Umgebung ab. Baue deine Umwelt so, dass gutes Verhalten sofort belohnt wird und schlechtes Verhalten sofort bestraft wird. Zum Beispiel kannst du deinen Freundeskreis ändern, denn Freunde und deine restliche menschliche Umgebung üben sozialen Druck auf dich aus, wenn du ihre Verhaltensregeln nicht befolgst. Die Umgebung hat also einen großen Einfluss auf das Verhalten.

Nutze Reibung zu deinem Vorteil

Du kannst die Umgebung so formen, dass das gewünschte Verhalten einfacher ist. Dafür musst du verstehen, dass eine Gewohnheit aus vier aufeinanderfolgenden Prozessen besteht: dem Reiz, der Lust, der Antwort und der Belohnung. Jeden Prozess kannst du so ändern, dass es ein bestimmtes Verhalten begünstigt. Die Antwortphase kannst du durch eine Erschwerung oder Vereinfachung des Verhaltens beeinflussen. Das kannst du durch Reibung (friction) machen. Es gibt ein Phänomen namens ‘Addition durch Subtraktion’. Es besagt, dass weniger von etwas, mehr sein kann. Bezogen auf Gewohnheiten ist es so, dass weniger Widerstand zu mehr vom Verhalten führt. Mach ein Verhalten einfach und reduziere die Schritte, die zum Ausführen des Verhaltens notwendig sind, wenn du ein Verhalten öfter ausführen möchtest. Lege beispielsweise ein Buch mit einem Lesezeichen auf deinen Schreibtisch. Dann brauchst du nur das Buch zu greifen und die markierte Seite aufzuschlagen. Legst du das Buch offen und umgedreht auf den Tisch, brauchst du sogar weniger Schritte. Das Verhalten ‘Lesen’ ist nun einfacher.

Möchtest du eine Gewohnheit aufgeben, kannst du das Gegenteil machen. Mache es schwer, das Verhalten zu zeigen. Naschst du zu viel? Kauf nichts Süßes mehr ein. Wenn du Heißhunger bekommst, musst du erst das Haus verlassen, dich zum Supermarkt bewegen, usw. Ein einfaches Snacken wird so zu einer komplexen Aufgabe. Wenn du dazu noch gute Alternativen hast, dann sollte das ursprüngliche Problem komplett behoben sein. Ein Beispiel wäre, frische oder getrocknete Früchte zu kaufen. Wenn du schon naschst, kannst du gleichzeitig was für deine Gesundheit tun und verhinderst, zu viele Kalorien einzunehmen – zumindest bei frischen Früchten. Der Mensch folgt also dem Weg mit dem geringsten Widerstand.

Zusammengefasst

  • Ziele können eine Richtung vorgeben, aber Systeme sind nötig, um diese zu erreichen.
  • Nutze die Zwei-Minuten-Regel, um Regelmäßigkeit zur Gewohnheit zu machen.
  • Gebe durch deine Aktionen eine Stimme ab, zur Person, die du bekommen möchtest.
  • Achte auf deine Umgebung und designe sie zu deinem Nutzen.
  • Menschen folgen dem Weg des geringsten Widerstands. Erhöhe die Reibung bei ungewünschten Gewohnheiten und erniedrige sie bei erwünschten Gewohnheiten.

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